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    Seltenheit und Verlustangst


Überlege dir:
Warum kann eine zerschlissene Jeans oder eine uralte Briefmarke mehr Wert haben als neue Exemplare? Oder warum ist im Warenhaus die Aussage „nur noch wenige Restexemplare' und im Kinoprogramm die Beschriftung 'letzte Tage' so beliebt?

Die Überlegung, die hinter diesem Reiz steckt, ist die Folgende: Je seltener eine Sache ist, desto schwieriger ist es, sie zu kriegen und desto kostbarer erscheint sie uns. Ein damit verbundenes Phänomen ist die Angst, etwas oder jemanden zu verlieren. Was wir verlieren könnten, begehren wir mehr als was wir mit absoluter Sicherheit besitzen: was auch für die Liebe stimmt…

Warum lassen wir uns von diesem Seltenheitsreiz beeinflussen? Und wie können wir nein zu ihm sagen? Lies weiter und finde es heraus:


Erklärung für den Seltenheitsreiz

Wie viele andere Mechanismen ist der Seltenheits-Reiz eine automatische Reaktion, die uns das Nachdenken erspart.

Wenn wir unter Druck eine Entscheidung fällen müssen, greifen wir leicht auf die folgende Reaktion zurück: Was selten ist, ist meistens gut und wenn es gut ist, muss man es haben. Oder auch: Was selten ist, riskiere ich für immer zu verlieren. Also muss ich es haben, bevor es weg ist.

Hier kommt unser „Sammler und Jäger-Instinkt“ zum Vorschein. Für den Fall, dass wir dieses eine "Ding" später noch haben möchten und es dann vielleicht nicht mehr zur Verfügung steht, besorge ich es mir lieber jetzt, solange ich es noch haben kann.

Die Kunst beim Seltenheitsreiz besteht darin, zu merken, wann etwas wirklich selten ist und wann diese Seltenheit bloss inszeniert ist, was z.B. für Verkaufszwecke ausgenutzt wird. Lies weiter und erfahre, in welchen Fällen die Seltenheit inszeniert ist.


Beispiele für die Inszenierung von Seltenheit

Seit einiger Zeit spürt Salome, dass ihr Freund Georg in ihrer Beziehung nachlässig geworden ist. Er macht ihr nicht mehr so viele Komplimente und ruft sie nicht mehr jeden Tag an. Um den nachlassenden Liebeseifer wieder anzustacheln, erfindet Salome einen Verehrer. Und auf einmal ist Georg wieder aufmerksam. Georg merkt, dass er Salomone verlieren könnte. Was man zu verlieren riskiert, begehrt man oft mehr.

Dieses Seltenheitsprinzip wird z.B. auch aktiviert, wenn es für eine Stelle mehrere Bewerber/Bewerberinnen hat, oder für ein Produkt mehrere Interessenten. Nur schon die Information "solange Vorrat" kann eine Verlustangst auslösen, so dass wir Gefahr laufen, überstürzt zu handeln und etwas zu tun oder zu kaufen, dass wir in normalen Umständen nie getan oder gekauft hätten.


Nein sagen zum Seltenheitsreiz und zur Verlustangst

Zu sehen, wie etwas, wofür du dich interessierst, oder was du gerne besitzen würdest, zur Neige geht, kann dich in einen Zustand von Unruhe versetzen. Ein Zustand, in dem es sich nicht besonders gut denken lässt.

Versuche, dich in dieser Situation so zu verhalten: Nimm deine Gefühlslage wahr! Frage dich, ob du dich für eine Sache interessierst, weil sie selten ist, oder weil du sie wirklich brauchst und sie dir nützlich ist. Versuche, dir vorzustellen, du würdest diesen seltenen Gegenstand auf der Strasse finden. Würdest du dich genauso über ihn freuen?

Unter Druck lassen sich selten gute Entscheidungen treffen. Um den Druck los zu werden, versuche Zeit zu gewinnen. Z.B.:

  • Willst du ein seltenes oder ausgehendes Produkt kaufen, bist aber noch nicht sicher, ob du es wirklich brauchst, frage den Verkäufer/die Verkäuferin, ob er/sie es dir eine Weile zurücklegt, damit du dir den Kauf noch ein paar Stunden überlegen kannst.
  • Weisst du nicht, ob du auf ein Angebot eingehen sollst? Dann teile mit, dass du etwas Zeit brauchst (z.B. um dir die Angelegenheit durch den Kopf gehen zu lassen oder weitere Informationen zu sammeln), und dass du deine Entscheidung einige Stunden oder Tage später mitteilen wirst. So gewinnst du Zeit, kriegst einen klaren Kopf und triffst bessere Entscheidungen.


 
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